Es mag bestimmt viele Gründe für viele Menschen geben, eine Vollverschleierung verbieten zu wollen. Ich sehe persönlich aber kein liberales Argument dafür. Natürlich ist Liberalismus kein Synonym für «grenzenloses tun» – es bedeutet freiheitliches Tun und Handeln ohne dabei die Freiheiten des anderen einzuschränken. Wo diese Grenze verläuft, darüber streitet man insbesondere auch in der Politik schon immer. Das soll auch so sein, dass man darüber politisch streitet.
Mir gefällt’s auch nicht, wenn ich eine vollverschleierte Person sehe – viele davon habe ich zwar nicht gesehen, ich könnte das an einer Hand abzählen. Mir gefällt so einiges nicht, da bin ich auch ganz ehrlich – ich störe mich teilweise ebenfalls am Verhalten und am Auftreten von vielen Menschen, und wie! Ist die liberale Antwort darauf es zu verbieten? Auch dann, wenn wir davon ausgehen, dass diese Person mit seinem Verhalten meine Werte in Frage stellt? Was ist mit all denen, die die Abschaffung der freien Marktwirtschaft und Einführung des Kommunismus fordern? Sollen wir sie einsperren? Oder sollen wir ihnen stattdessen eben nicht lieber die Vorzüge der freien Marktwirtschaft «schmackhaft» machen? Die liberale Antwort hier wäre klar! Wieso scheint sie bei einer Verschleierung nicht klar zu sein? Weil sich offenbar damit Probleme bewirtschaften lassen und insbesondere eine politische Partei davon Kapital schlägt.
Ich bin nicht liberal, weil persönlich machen möchte was ich will – sondern, weil ich das Recht auf persönliche Freiheit allen zuschreibe. Und ich bin insbesondere auch nicht liberal, weil ich daran glaube mit Verboten Probleme (im Falle der Burka-Initiative wohl eher ein Scheinproblem, aber auch dann) zu lösen.
Wer seine persönliche Freiheit in Gefahr sieht, wenn er eine Burka tragende Frau sieht, soll sich ein Hobby suchen. Selbstverständlich gibt es aber hier Grenzen, etwa im Kontakt mit den Behörden – das würde sodann mit dem indirekten Gegenvorschlag geregelt. Auch würde ich beispielsweise in Volksschulen das Tragen einer Burka und auch eines Kopftuches untersagen. Einer erwachsenen Person in ihrer Freizeit eine Kleiderordnung vorzuschreiben hat aber nichts mehr mit liberal zu tun, das kennen wir aus anderen totalitären Systemen.
Wenn ich ins Ausland gehe und über die Schweiz erzähle, erwähne ich stolz den freiheitlichen Geist dieser Willensnation und unserer liberalen Verfassung und Gesellschaftsordnung. Mit solchen Initiativen stellen wir meines Erachtens unser liberales Grundprinzip immer mehr in Frage, ich würde mir jedoch wünschen weiterhin stolz im Ausland darüber erzählen zu können. Auch beispielsweise meinen Verwandten im Balkan, die bis vor wenigen Jahren noch in sozialistischen System gelebt haben und individuelle Freiheit fast schon unerreichbar zu sein scheint.